Kunst auf Reisen Das „Föhr Reef“ zu Gast im Gustav-Lübke-Museum in Hamm

Das „Föhr Reef“

Es ist ein einzigartiges, partizipatives Kunstprojekt, das die australischen Zwillingsschwestern Christine und Margaret Wertheim von Januar bis Juni 2012 im Museum Kunst der Westküste zusammen mit dem LandFrauenVerein Föhr und dem Strikkecafé des dänischen Museums Sønderjylland in Tønder im MKdW umsetzten. Gemeinsam mit 750 Mitwirkenden entstanden etwa 20 m3 gehäkelte Korallen in allen erdenklichen Farben.

 

Christine und Margaret Wertheim, Hyperbolic Crochet Coral Reef

„The Föhr Satelite Reef“, Teil des „Hyperbolic Crochet Coral Reef“ des Institute For Figuring, Los Angeles © Museum Kunst der Westküste, Foto: Lukas Spörl

 

Das „Föhr Reef“ ist Teil des internationalen Kunstprojektes „The Hyperbolic Crochet Coral Reef“, welches sich mit der Schönheit mathematischer und naturwissenschaftlicher Theorien auseinandersetzt.

 

Christine und Margaret Wertheim, Hyperbolic Crochet Coral Reef

Detail, „The Föhr Satelite Reef“, Teil des „Hyperbolic Crochet Coral Reef“ des Institute For Figuring, Los Angeles © Museum Kunst der Westküste, Foto: Lukas Spörl

 

Bereits 2005 gründeten die Wertheim-Schwestern ihr Institute For Figuring in Los Angeles, von wo aus sich das gehäkelte Korallenriff auf der ganzen Welt ausbreitete. Es gibt weltweit 52 dieser gehäkelten Satelliten-Riffe. „The Hyperbolic Crochet Coral Reef“ ist ein ökologisches Statement zum Erhalt der Artenvielfalt, welches zur Handlung aufruft.

 

Inspiriert wurden die Schwestern von ihrem Herkunftsland: Eine großflächige Korallenbleiche am Great Barrier Reef wurde erstmals im Jahr 1998 beobachtet, doch erreichte sie einen erschreckenden Höchstwert in den Jahren 2002, 2016, 2017, 2020, 2022 und jetzt im Jahr 2024. 2023 war das bisher heißeste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der Mensch bedroht die komplexen maritimen Ökosysteme auf vielfältige Weise. So sind Themen wie Mikroplastik, welches nicht nur das maritime Leben bedroht, allgegenwärtig geworden.

 

Ausgestellt im Gustav-Lübke-Museum Hamm

Nachdem das „Föhr Reef“ 2023 zuletzt in der Ausstellung „Auf das große Westmeer schauend – Der Kulturraum Nordsee im Wandel“ im MKdW zu sehen war, wurde es in diesem Jahr schließlich zu einem Herzstück der Ausstellung „Strahlender Untergang – Zwischen Zorn und Zuversicht“ im Gustav-Lübke-Museum im westfälischen Hamm.

 

Dort leuchtet das „Föhr Reef“ noch bis 23. Februar 2025 in allen Farben. Jedoch verweisen auch tote knochenweiße „Korallen“ im Riff auf die ökologischen Probleme in den Weltmeeren. Platziert ist die Installation vor dem Eingang der Ausstellung in einer Art postapokalyptischen Wüste, die uns bewusst macht, dass Wassermangel in vielen Ländern der Welt bereits Alltag und kein Thema aus einem Science-Fiction-Film ist.

 

Die immersive Ausstellung greift die gegenwärtig wahrgenommene, ambivalente, globale Stimmungslage auf. Wir erleben eine Zeit, in der produziert und konsumiert wird, und in der Notlagen sowie soziale Ungleichheit spürbar sind. Gleichzeitig ist ein ausgeprägtes Bewusstsein zu erleben, dass vor allem junge Menschen Missstände beheben wollen. Sie navigieren zwischen klimatischen, politischen und humanitären Krisen und sind hin- und hergerissen zwischen Optimismus und Pessimismus.

 

Die Ausstellung thematisiert aber nicht nur die Missstände, sondern auch die Frage: „Wie kann es weitergehen?“ Es wird gezeigt, dass der Dialog bzw. die Kunst, die den Dialog auslöst, dazu beitragen kann, Wege zu einem wertvolleren Zusammenleben zu verinnerlichen. Eine Ausstellung kann zwar keine umfassenden Antworten auf die essenziellen Fragen des 21. Jahrhunderts liefern. Ähnlich wie das „Föhr Reef“ im Kleinen keine Lösung für die Zerstörung und Ausbeutung unserer Weltmeere bietet. Durchaus aber kann die Gemeinschaft, die für die Entstehung von Zehntausenden Stoff-Korallen verantwortlich ist, als Inspiration dienen, um Missstände gemeinsam und kreativ bewältigen zu können.

 

Hinter den Kulissen

Gute Zusammenarbeit ist auch bei dem Transport eines aus vielen Einzelteilen bestehenden „Korallenriffes“ von der Nordseeinsel Föhr nach Hamm gefragt: Das Team des Gustav-Lübke-Museums und des Museums Kunst der Westküste haben dies über acht Monate vorbereitet.

 

Zunächst wurde gemessen, begutachtet und fotografiert. Die einzelnen Teile des Riffes wurden sorgfältig für den Transport nach Hamm ausgewählt. Dabei mussten nicht nur die Maße in die geplante Ausstellung passen, sondern auch der ästhetische Eindruck der ausgewählten Stücke musste stimmen. Schließlich sollte dieser Teil des Riffs, nicht nur das „Föhr Reef“, sondern auch das gesamte Projekt der Wertheim-Schwestern repräsentieren.

 

Doch anders als beim Transport eines Gemäldes, das seine Reise in ein anderes Museum damit beendet, an die Wand gehängt und ausgeleuchtet zu werden, musste nach dem Transport des Riffs noch ein weiterer, sehr wichtiger Schritt getan werden: Tausende von Stoff-Korallen wurden in tagelanger Handarbeit gesteckt, gepolstert und vernäht. Und so präsentiert sich das „Föhr Reef“ seit langer Zeit einmal wieder fernab der Insel auf dem sogenannten Festland und zeigt eindrucksvoll, was gemeinschaftliches Denken und Handeln bewirken können.

 

Die Einzelteile des Riffes werden ausgepackt und auf dem Präsentationssockel ausgerichtet.

 

Fast geschafft! Nachdem alle Teile beieinanderstehen, muss jede einzelne Koralle vernäht, gepolstert oder gesteckt werden. Der Sockelunterbau muss zum Schluss auch angepasst werden, indem er bespannt und gepolstert wird.

 

Die Präsentation des „Föhr Reef“ im Gustav-Lübcke-Museum Hamm © Marion Freitag

 

 

 

Weiterführende Literatur:

The Institute for Figuring: Wegweiser durch den Hyperbolischen Raum – Eine Erkundung der Schnittstelle von höherer Geometrie und weiblicher Handwerkskunst. Text von Margaret Wertheim, Alkersum/Föhr 2012.

 

Quellen:

https://museum-hamm.de/ausstellungen/aktuell/strahlender-untergang/

https://crochetcoralreef.org/

https://www.youtube.com/watch?v=zGEDHMF4rLI

https://www.theguardian.com/environment/2024/mar/08/coral-bleaching-great-barrier-reef-australia