Seit ich ein Kind bin, habe ich es geliebt nach Föhr zu fahren und die frische salzhaltige Luft einzuatmen. Da ich in einem Dorf in der Pfalz aufgewachsen bin, weit weg von Meer und Küste, habe ich mich oft nach dem Norden Deutschlands gesehnt. Als ich dann mit dem Abitur fertig war, stand ich vor der großen Frage: Was passiert danach?
Ich fühlte mich noch nicht bereit, direkt ins Studium einzusteigen oder eine Ausbildung zu beginnen, zusätzlich rief die Ferne nach mir. Dann wurde ich durch viele kleine Zufälle fündig: ein Freiwilliges Soziales Jahr Kultur im Museum Kunst der Westküste. Das war die perfekte Idee, da ich schon immer ein kunstbegeisterter Mensch gewesen bin. Ich verliebte mich schnell in die Vorstellung, andere Menschen dabei zu unterstützen, kreativ zu werden, egal in welchem Alter. Und was könnte besser sein als genau das auf der Insel zu machen, die ich schon immer mein „zweites Zuhause“ genannt habe?
Im September 2022 ging es los, fortan unterstützte ich Sylvia Haumersen bei der Planung und Durchführung der Workshops in der Kunstvermittlung. Direkt zu Beginn meines FSJ Kultur erfuhr ich, dass ich als Freiwillige ein eigenes Projekt realisieren darf. In meinem Kopf flog ab diesem Punkt der Traum herum, eine Veranstaltung zu planen, denn ich wollte mich selbst herausfordern und einmal in die Veranstaltungsplanung reinschnuppern. Das Einzige, was noch mir fehlte, war der Anlass…
Der Durchbruch mit dem Deichbruch
Im November 2022 half ich der Kuratorin Dr. Pia Littmann bei der Vorbereitung der Ausstellung Dampfer, Deiche, Dramen – Druckgrafik aus der Sammlung und zeitgenössische Positionen. Und da waren sie, die Radierungen von Alexander Eckener zur Novelle „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. Damit fand ich meine finale Idee: eine Lesung inmitten der Ausstellung, aber auf eine etwas lebendigere Art. Eine weitere Leidenschaft von mir sind nämlich ältere Literaturwerke und Dramen, daher kannte ich die berühmte Geschichte von Hauke Haien.
Anfangs sah ich die Idee als eine „unrealistische Wunschvorstellung“ an. Aber als ich sie gegenüber Sylvia Haumersen, der Leiterin der Kunstvermittlung, erwähnte, kam von ihr die Frage: „Warum denn nicht?“ Und ich beschloss, es zu wagen und in die Planung einzusteigen...
Der Hürdenlauf des Schimmelreiters
Ich habe schnell bemerkt, wie viel zu der Planung einer Veranstaltung eigentlich gehört. Den Text vorbereiten, die Mitarbeitenden und den Ablauf planen, die Technik klären und vieles mehr… Jedoch hat mich das nicht mehr stoppen können! Ich habe getüftelt, sehr viele To-Do-Listen erstellt und abgearbeitet (ich bin jetzt Spezialistin darin), resultierend daraus auch oft Änderungen vorgenommen. Dabei hatte ich die ständige Unterstützung von vielen Personen im MKdW-Team, ohne die meine Veranstaltung wahrscheinlich ein kleines Chaos geworden wäre.
Während der voranschreitenden Planungen kam die Idee, die Veranstaltung dreimal stattfinden zu lassen und Vincent Ellmers, einen Schauspieler und Synchronsprecher aus Hamburg mit Föhrer Wurzeln einzuladen, um aus dem Schimmelreiter zu lesen.
Durch viele Terminverschiebungen war es ihm aber nicht möglich, zum ersten Termin zu erscheinen und so machte ich aus der Lesung ein audiovisuelles Erlebnis: Ich beschloss, seine Sprechkünste in Form von Audios mit Soundeffekten einzubauen. Um den Abend noch gemütlicher und angenehmer für die Besucher*innen zu machen, holte ich auch noch das Museumsrestaurant Grethjens Gasthof mit ins Boot. So konnte die Veranstaltung kulinarisch ausklingen. Am besten passte zu dem Thema des Abends ein typisch nordisches Labskaus.
Damit wurde aus vielen kleinen Puzzleteilen ein großes vielfältiges Bild aus Literatur, Hörerlebnis, Druckkunst und nordischer Küche.
Mut und Ehrgeiz zeigen
Ich traute mich auch, die Moderation des Abends zu übernehmen. Meine größte Hürde war nicht nur die Planung, sondern dass ich noch nie vor so vielen mir unbekannten Personen gesprochen habe. Aber auch diese Hürde konnte ich schnell durch viel Üben vor dem Spiegel und einer Generalprobe beseitigen. Der Ehrgeiz, meine Nervosität zu besiegen, überwiegte.
Dann war es so weit: Der 20. April kam, der große Tag, auf den ich seit Dezember hingearbeitet hatte. Die Veranstaltung lief reibungslos ab und die Gäste waren allesamt begeistert. Die facettenreiche Darbietung aus Dr. Pia Littmanns kunstwissenschaftlichem Wissen und mir als Moderatorin und Erzählerin ergänzte sich super mit Vincent Ellmers spannenden, fast schon lebendigen Hörspielaudios und den vergrößerten Grafiken von Alexander Eckener.
Nach dem Vortrag kamen viele Personen zu Dr. Pia Littmann und mir. Es wurden die verschiedensten Fragen gestellt, in Bezug auf den Künstler Alexander Eckener oder auch die Novelle: „Wurde Der Schimmelreiter auch von anderen Künstlern als Thema aufgegriffen?“ Ja, Max Kahlkes Druck zum Schimmelreiter findet man ebenso in der Ausstellung.
Wie geplant gab es nach der Lesung in der Ausstellung auch noch ein hervorragendes Labskaus-Dinner in Grethjens Gasthof und ich konnte alle Besucher*innen mit einem Lächeln aus dem Abend entlassen.
Mit einem Lächeln gehe ich jetzt weiter in das – leider schon – letzte Drittel meines Jahres im Museum. Danach werde ich wieder in meine Heimat, die bergige Pfalz, zurückkehren und ein duales Studium beginnen – aber das MKdW und die Insel Föhr werden immer ein Teil von mir sein, denn dieses Jahr werde ich wohl nie vergessen. Es hat mir gezeigt, was ich alles schaffen kann, wenn ich nur daran glaube, und dass ein anderer Ort sich wie ein Zuhause anfühlen kann. Das alles wäre nicht möglich gewesen ohne das großartige MKdW-Team, aus diesem Anlass ein ganz herzliches pfälzisches „Dangschää“ von mir!
Jetzt schaue ich erstmal gespannt auf die weiteren Termine meiner Veranstaltung am 23. Mai und am 8. Juni. Ich freue mich darauf, an diesen Tagen den Besucher*innen erneut mein Projekt „Der Schimmelreiter – Für die Ohren und für die Augen“ gemeinsam mit Dr. Pia Littmann vorzustellen.
Marit Großmann
FSJ Kultur, Museum Kunst der Westküste,
vom 1. September 2022 bis 31. August 2023