Aerosole mal anders – Ein morgendliches Experiment mit Sjoerd Knibbeler

Gegen 8:00 Uhr morgens war der Strandabschnitt zwischen Goting und Nieblum noch fast menschenleer. Ein paar Spaziergänger sind vorbeigegangen, einer von ihnen hatte einen großen Hund dabei. Der hat sich merklich erschreckt, als plötzlich ein dichter Nebel in großer Geschwindigkeit auf ihn zuflog. So etwas hatte er noch nicht gesehen – und wie sollte er auch. „Ist das giftig?“ rief uns der Besitzer zu. Nein, natürlich nicht. Wir hatten den feinen Staub gerade freigesetzt. Eigentlich hätte er aufsteigen sollen, doch dafür war es an diesem Morgen zu windig.

 

Ich war mit Sjoerd Knibbeler verabredet. Der Künstler aus Amsterdam ist momentan als Artist in Residence bei uns zu Gast auf Föhr. Als er im Sommer 2017 erstmals auf der Insel war, entstanden seine „Exploded Views“: Berückend schöne Fotogramme, die aus optischen Experimenten hervorgegangen sind. Sie werden, unter anderem, ab 28. Februar 2021 in der Ausstellung „Sjoerd Knibbeler. In Elements“ im Museum Kunst der Westküste zu sehen sein.

 

 

In seinem neuen Werkkomplex hat Knibbeler mit Licht, Wind und Wasser experimentiert. Seine Fotografien machen Wirkungs- und Wechselverhältnisse von Naturkräften sichtbar und kommentieren dabei immer auch das Verhältnis von Natur und Mensch. Besonders trifft dies auf sein neuestes Projekt zu, in dem er sich mit Geoengineering beschäftigt – einem kontrovers diskutierten Thema. Unter anderem meint dies Maßnahmen, die Sonnenstrahlung mittels in die Stratosphäre einzubringender Aerosole zurück in den Weltraum zu spiegeln. Hintergrund für solch ein kühn klingendes Szenario ist die Erderwärmung, die auf diese Weise abgebremst werden soll. Die praktische Umsetzung ist die Sache. Das andere, weitaus größere Problem besteht darin, nicht abschätzen zu können, welche Folgen dies für den Naturkreislauf hat. Knibbeler hat recherchiert und sich mit Wissenschaftlern unterhalten. Komplexe Prozesse wie diese auf Augenmaß zu reduzieren, Prinzipien in Modellen nachzuvollziehen und davon Fotografien zu machen, die emotional berühren – das ist sein Anliegen.

 

 

Die Schauplätze, die er dafür errichtet, sind grundsätzlich beides: technisch-physikalische Versuchsanordnungen und durchkomponierte Settings. Es gibt viel zu bedenken, zu arrangieren und anzupacken, weshalb Yentl van Toledo den Künstler als Assistentin unterstützen wird.

 

Vor ihrem Eintreffen auf Föhr durfte ich aushelfen. An diesem Tag ging es darum, die Funktionstüchtigkeit einiger Konstruktionen zu testen, die Knibbeler im Watt aufgebaut hatte. Meine Aufgabe bestand darin, mittels einiger Handgriffe bestimmte Mechanismen in Gang zu setzen. Wir arbeiteten gegen das Wetter, das, wie anfangs erwähnt, so nicht eingeplant war. Zudem bewegte sich allmählich die Flut auf uns zu. Und doch: Wir konnten ein paar „Aerosol-Injektionen“ in die Luft befördern und so rudimentäre Schutzschirme freisetzen. Wenn sie jetzt noch in die Höhe geschossen wären und nicht gerade ein paar Passanten aufgeschreckt hätten …. Doch Kunst ist ein Prozess, zu dem das Sich-Herantasten und Experimentieren wie selbstverständlich gehören: „Try and Error“ eben. Wie wohl die Fotoarbeiten von Sjoerd Knibbeler später aussehen? Ich bin gespannt, werde aber noch ein paar Monate warten müssen, bis er uns erste Ergebnisse schicken kann. Bis zur Ausstellungseröffnung am 27. Februar 2021, um 15:00 Uhr, ist es auch noch etwas hin. In der Zwischenzeit kann ich mich mit dem zweisprachigen Katalog beschäftigen, der zur Ausstellung erscheint.

 

Dr. Pia Littmann

Wissenschaftliche Ausstellungskoordination

Juli 2020