Ausstellungsfein gemacht Vom Depot auf die Bühne

Mein Lieblingswort in meinem Arbeitsalltag im Museum ist ausstellungsfein. Es beinhaltet gleich zwei herrliche Dinge: Einerseits, dass ein Werk fein gemacht ist, es womöglich restauriert worden ist und der Rahmen die ein oder andere Retusche erhalten hat. Es ist bereit für Neues. Andererseits bedeutet es, dass die Vorfreude steigt. Wir bereiten eine neue Ausstellung vor, und wenn ein Werk ausstellungsfein ist, dann kann es in eine kommende Schau eingeplant oder gar schon in einen der vorbereiteten und gestrichenen Säle getragen werden.

 

Mit der Ausstellung Dampfer, Deiche, Dramen. Druckgrafik aus der Sammlung und zeitgenössische Positionen präsentieren wir erstmals einen tieferen Einblick in unseren Grafikbestand und fächern diesen nach Stilrichtungen und Bildthemen ausführlich auf. Der Weg zum Status ausstellungsfein war besonders intensiv und mit viel Planung verbunden.

 

Unsere Grafiken sind im Depot nicht, wie Gemälde, fest in einem Rahmen befestigt, sondern ruhen – so denn sie nicht ausgestellt sind – in professionellen Archivboxen. Diese ähneln Kunstwerken: Sie wurden von Hand gearbeitet, sind mit Leinen bespannt, und es werden nur Materialien verwendet, die höchsten konservatorischen Standards entsprechen. Der Karton ist säurefrei, und es wurde ein Spezialkleber benutzt, der nicht ausdünstet und das Papier, sei es auch noch so fragil, nicht angreift.

 

Ausmessen von Emil Noldes Radierung, Dampfer

Katrin Petersen beim Ausmessen von Emil Noldes Radierung „Dampfer“, 1910

 

Für die Grafikausstellung zeigen wir die sehr große Menge von gut 130 Blättern – so sagt man gerne, wenn es um Werke auf Papier geht, und das tut es hier ausnahmslos, sowohl bei den Sammlungswerken als auch bei den zeitgenössischen Positionen. Davon hatten wir wiederum 114 Stück teilweise mehrfach in den behandschuhten Händen, um sie ausstellungsfein zu machen. Dazu gehörte – ganz anders als bei unseren vergangenen Ausstellungen, bei denen im Regelfall fertig gerahmte Gemälde gezeigt wurden – viel, sehr viel Ausmessen. Es war nötig, die bekannten Maße zu überprüfen und den Ausschnitt für das Passepartout festzulegen. Wieviel soll vom Blatt zu sehen sein? Wollen wir den Abdruck der Druckplatte sichtbar machen? Gibt es vielleicht einen schönen Schöpfrand des Papieres, der das Blatt besser zur Geltung bringt?

 

Wir haben für jedes Werk eine Einzelfallentscheidung getroffen, um ihm konservatorisch gerecht zu werden, aber auch um eine besonders schöne Bildwirkung zu erzielen oder den Betrachter*innen später in der Ausstellung mehr Einblicke in die Arbeitsweise der Künstler*innen zu gewähren. Sodann konnte ein Farbton für den Karton aus einer Vielzahl von Weiß- und Beigetönen bestimmt werden – und zu guter Letzt noch, in welcher Rahmengröße das Werk gezeigt werden soll.

 

Waren all diese Maße genommen und Entscheidungen getroffen sowie gar bestellte Passepartouts bereits vor Ort eingetroffen, kam die kleinteilige und präzise Arbeit des Befestigens der Druckgrafik im neuen Passepartout-Karton und das anschließende Rahmen. Hier waren die wunderbaren restauratorischen Kenntnisse von Sara Nina Strolo, Wissenschaftliche Volontärin am MKdW, nötig. Sie hat minutiös und buchstäblich stundenlang kleine, reizende Papierecken gefaltet, die als Halterung für die Blätter im Passepartout dienen.

 

Erinnern Sie sich an die alten Fotoalben mit den Trennseiten, die Butterbrotpapier ähneln? Dort gibt es auch derlei Ecken zur Befestigung der Fotos. Dasselbe Prinzip wurde für die Werke in der Ausstellung genutzt, damit keines der herrlichen Blätter direkt aufgeklebt werden muss. Von Sara Nina Strolo einmal im Passepartout hübsch eingebettet, konnten die Werke von ihr in passende Rahmen eingefügt werden und mit Hilfe von Museumstechniker Uwe Jensen ihren Platz in der Ausstellung einnehmen.

 

Sara Nina Strolo und Katrin Petersen beim Auswählen eines Farbtons für das Passepartout

Sara Nina Strolo und Katrin Petersen beim Auswählen eines Farbtons für das Passepartout

 

In eine Ausstellung zu gehen und sich verschiedenste Werke anzusehen, erlaubt selten den Blick auf das Dahinter. Die Auswahl, das Abwägen, das Suchen nach Gemeinsamkeiten und Kontrasten bleiben verborgen. Ebenso wird der Zustand der ausgestellten Arbeiten vom Betrachtenden so angenommen, wie er ist – da sind Besucher*innen unkompliziert und genügsam. Man fragt sich meist nicht, ob zu viel Firnis aufgetragen wurde oder ob das Passepartout aus säurefreien Karton ist. Aber vielleicht haben Sie nach dem Lesen dieses Beitrages einen anderen Blick auf Ausstellungen und das Dahinter.

 

Katrin Petersen, M.A., Registratur / Wissenschaftliche Mitarbeit