Mondrian? Ist das nicht der mit den geometrischen Farbfeldern in Blau, Rot und Gelb? Ja, auch, aber nicht nur – kein*e Künstler*in fällt abstrakt vom Himmel und so hat der niederländische Künstler Piet Mondrian in seinem Frühwerk gegenständlich gearbeitet und die Landschaft seiner Heimat gemalt. Das Museum Kunst der Westküste ist glücklich gleich zwei Werke aus dieser frühen Schaffenszeit zu seiner Sammlung zu zählen: Die Broekzijkdse Mühle am Gein und Die alte Mühle bei Oele.
Diese beiden Werke machen sich nun auf die lange Reise in die Schweiz, um dort in der Ausstellung der renommierten Fondation Beyeler in Riehen bei Basel gezeigt zu werden. Das Museum nimmt sich den 150. Geburtstag des Künstlers zum Anlass, um die landschaftlichen Motive und dessen vielfältige Einflüsse aus der niederländischen Kunst des 19. Jahrhunderts, des Symbolismus und des Kubismus zu untersuchen. Die Frage ist also: Wie ist der Künstler von der Landschaftsmalerei zur Abstraktion gekommen?
Hingegen wissen wir ganz genau, wie Mondrian nach Basel kommt. Den gewohnten und oft erprobten Weg des professionellen Kunsttransportes beschreitend, werden beide Gemälde in klimatisierte Transportkisten verpackt und in einem stoßgefederten Fahrzeug in die Schweiz gefahren. Da die Strecke von der Nordsee in die Alpen recht weit ist, gibt es mehrere Stopps, bei denen weitere Werke anderer Leihgeber*innen für die Ausstellung eingesammelt werden. Hier versuchen alle Beteiligten den ohnehin sehr großen Aufwand geringer zu halten. Nicht zuletzt in der Kombination von mehreren Werken, die zusammen transportiert werden, oder in der Verbindung von zwei unterschiedlichen Ausstellungen, die dieselbe Transportroute haben.
So kommt es, dass der Transporter bereits beladen nach Alkersum zum Museum Kunst der Westküste fuhr: An Bord drei Werke von Max Liebermann auf dem Rückweg der Ausstellung Ich. Max Liebermann. Ein europäischer Künstler, die Anfang Mai im Düsseldorfer Kunstpalast zu Ende ging. Das MKdW hatte die drei Gemälde Jäger in den Dünen bei Noordwijk, Holländischer Bauernhof unter Bäumen und Stille Arbeit zunächst an das Hessische Landesmuseum Darmstadt und in der Folge nach Düsseldorf für die zweite Station dieser Ausstellung ausgeliehen. Es ergab sich also der glückliche Zufall zwei unterschiedliche Ausstellungsprojekte und ihre Transporte zu kombinieren – ein Schlagabtausch zweier Großgestirne der europäischen Moderne auf logistischer Ebene, wenn man so will.
Der sogenannte Leihverkehr ist ein fester und wichtiger Bestandteil der alltäglichen Arbeit in Museen. Der kollegiale Austausch und die teilweise jahrelange Zusammenarbeit untereinander ermöglichen den Museen die Gestaltung von Ausstellungen – nicht nur mit dem eigenen Sammlungsbestand, sondern auch mit Leihgaben anderer Institutionen. Eine große Ausstellung über das Frühwerk Piet Mondrians oder Max Liebermanns künstlerisches Netzwerk wird erst durch die Zusammenarbeit von vielen Museen (und auch privaten Leihgebern) möglich. Gleiches gilt für die aktuelle Ausstellung über die herausragende Skagenmalerin Anna Ancher, die das MKdW noch bis Mitte Juni zeigt. Über 70 Werke reisten aus Dänemark nach Föhr und sind einmalig noch für einige Wochen zu sehen, bevor einmal mehr der Nachhauseweg mit viel Einpacken, Kontrollieren, Bugsieren und Fahren im stoßgefederten, klimatisierten LKW ansteht.
Katrin Petersen M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Registrarin, Museum Kunst der Westküste, Alkersum/Föhr
Die Ausstellung 'Mondrian Evolution' ist vom 5. Juni bis 9. Oktober 2022 in der Fondation Beyeler, Riehen bei Basel, Schweiz, zu sehen. Anschließend kann sie in der der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20, Düsseldorf, vom 29. Oktober 2022 bis 10. Februar 2023 besucht werden.
Abbildungen v. o. n. u.
Max Liebermann, Stille Arbeit, 1885, Museum Kunst der Westküste
Piet Mondrian, Die Broekzijkdse Mühle am Gein, Museum Kunst der Westküste
Max Liebermann, Jäger in den Dünen bei Noordwijk, 1913, Museum Kunst der Westküste
Max Liebermann, Holländischer Bauernhof unter Bäumen, 1898, Museum Kunst der Westküste