Liebermann am Lago Maggiore

Erneut geht ein Werk von Max Liebermann aus der Sammlung Kunst der Westküste auf Reisen. Nachdem einige Gemälde des Künstlers bereits nach Den Haag ausgeliehen wurden (die Ausstellung Max Liebermann – Sommerimpressionen im Gemeentemuseum läuft noch bis zum 24. Juni 2018. Der Insel-Bote berichtete.), wird nun auch noch die um 1899 entstandene Ölstudie Badende Knaben ins schweizerische Ascona gebracht. Dort wird sie gemeinsam ab dem 8. Juni 2018 mit anderen Arbeiten von Liebermann in der Einzelausstellung Max Liebermann – Pionier des deutschen Impressionismus im Museo Castello San Materno zu sehen sein.

 

Das Museum wurde 2014 eröffnet und beherbergt die Sammlung des Unternehmerpaars Kurt und Barbara Alten. Deren gesammelte Werke waren zuvor in die Kulturstiftung Kurt und Barbara Alten eingegangen und sollten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeiten der kleinen, aber feinen Sammlung stammen vor allem von den Worpsweder Malern Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker sowie Fritz Overbeck, aber auch von den Expressionisten Christian Rohlfs, Erich Heckel, Emil Nolde und Ernst Ludwig Kirchner. Schließlich ist auch Max Liebermann mit einigen Gemälden vertreten. Daher erscheint es nur konsequent, seine Kunst im Rahmen einer Einzelschau dem Publikum im südschweizerischen Tessin zu zeigen. So gilt der Berliner Maler, der mit seiner Familie mehrere Male auch in der Schweiz Urlaub gemacht hat und dort einige wichtige Sammler seiner Kunst hatte, als einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Impressionismus. Insbesondere mit seinen Bildern, die er an den Stränden der niederländischen Badeorte Zandvoort, Katwijk, Noordwijk oder Scheveningen gemalt und gezeichnet hat, zeigt sich sein Können, Szenen im Freien spontan zu erfassen. Dazu verhalf ihm auch der von der Malerei der französischen Impressionisten übernommene schnelle Pinselstrich, mit dem er die Figuren auf die Leinwand oder das Papier brachte.

 

Die mit einem erhöhten Abstraktionsgrad gemalten Badenden Knaben belegen das vorzüglich. Auf dem kleinen Malkarton setzte Liebermann mit wenigen, sicheren Strichen eine bei den Impressionisten beliebte Szene um. Entstanden ist der Eindruck eines Badevergnügens an einem heiteren Sommertag, an dem sich die jungen Männer im kühlen Nass des Meeres erfrischen. Da Liebermann immer wieder auch direkt am Strand gearbeitet hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass auch diese Ölstudie unmittelbar vor Ort realisiert wurde. Dabei steht sie innerhalb einer Reihe von zahlreichen Variationen, in denen der Künstler das Thema der Badenden Knaben dargestellt hat. Andere Motive, die über viele Jahre hinweg in den Sommermonaten an der niederländischen Westküste entstanden sind, zeigen Reiter am Strand oder auch Tennis spielende Sommerfrischler, die sich um 1900 einen solchen Urlaub leisten konnten.

 

Im Gegensatz zu diesen stellte Liebermann mit den Badenden Knaben jedoch ausschließlich einheimische Jungen aus den umliegenden Dörfern dar, die abseits des mondänen Baderessorts dem ungezwungenen Badespaß nachgehen konnten. Das bürgerliche Publikum ging zu jener Zeit noch in langen Badekleidern und über eigens von Pferden ins Meer gezogene Badekarren ins Wasser. Sich ausziehen und nackt die Wellen genießen zu wollen, erschien innerhalb der strengen Sittenordnung, die damals vorherrschte, undenkbar.

 

Die Ölstudie, die 2015 Eingang in die Sammlung Kunst der Westküste fand, war lange Zeit unbekannt geblieben. Mit dem gleichnamigen Gemälde, das Liebermann 1902 gemalt hat, und weiteren Arbeiten mit diesem Motiv in der Sammlung des Alkersumer Museums bringt sie das Thema auf Föhr anschaulich zur Geltung. Dass das Werk nun mit Leihgaben aus anderen Häusern sowie den sammlungseigenen Arbeiten in Ascona ausgestellt wird, belegt darüber hinaus die Wichtigkeit dieser kleinen Studie innerhalb des Œuvres des Künstlers. Wie es in der Leihanfrage des Museo Castello San Marteno auch heißt, soll „mit ausgesuchten Werken – Gemälden sowie Arbeiten auf Papier“ – Liebermanns „künstlerische Entwicklung von den frühen Arbeiterbildern bis hin zum Alterswerk“ präsentiert werden. Dieses Unterfangen unterstützt das Museum Kunst der Westküste sehr gerne mit einer Leihgabe und wünscht den Kolleginnen und Kollegen in Ascona viel Erfolg mit der Ausstellung.

Ausstellung:

Max Liebermann – Wegbereiter des deutschen Impressionismus

8. Juni bis 30. September 2018

Museo Castello San Materno

Fondazione per la cultura Kurt e Barbara Alten

Via Losone 10

CH-Ascona

 

Text:

Dr. Sabine Schlenker, Wissenschaftliche Mitarbeiterin/Kuratorin, Museum Kunst der Westküste