Mein freiwilliges kulturelles Jahr im MKdW

Wie in einem Jahr aus einer Abiturientin eine Autorin, Regisseurin, Hörspiel-Producerin und Kunstvermittlerin wird

 

Im September 2020 bin ich für ein freiwilliges kulturelles Jahr im Museum Kunst der Westküste auf die schöne Nordseeinsel Föhr gezogen.

Als Teil des Kunstvermittlungsteams half ich in den ersten beiden Monaten bei der Planung und Durchführung von Workshops. Doch dann, Ende Oktober, stiegen die Zahlen der von der Covid-19-Pandemie Betroffenen in ganz Deutschland so drastisch an, dass es plötzlich nur diesen einen Weg gab: Das Museum wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. Dass diese Phase tatsächlich bis März andauern würde, konnte niemand wissen.

 

Weil meine Aufgabe, in den kommenden 12 Monaten ein selbst gewähltes Projekt eigenständig zu planen und umzusetzen trotzdem weiter Bestand hatte, musste eine Lösung her. Was soll ich machen, wenn alles geschlossen hat, fragte ich mich selbst und fragten wir uns im Team. Inspiriert von einem Workshop, den ich gleich zu Beginn meines Freiwilligenjahres bei einem einwöchigen Seminar belegt hatte, entstand dann aber ziemlich schnell die Idee, was ich umsetzen könnte: Ein Onlineangebot für Kinder.

 

Birte Röhrig spricht die Erzählerin im MKdW-Hörspiel

 

In Form eines mehrteiligen Hörspiels wollte ich den Kindern, die ja ganz allgemein aktuell so wenige Möglichkeiten hatten raus zu kommen und Neues zu erleben, eine Chance geben, zumindest mit dem Kopf an einen anderen Ort zu reisen. Wäre es da nicht schön, dachte ich, das Museum Kunst der Westküste auf eine ganz besondere Art kennen lernen zu können?

 

Nach einer längeren Planungsphase, in der die Ideen nur so sprudelten und im Austausch mit meinen Kolleginnen, Freunden und der Familie immer zahlreicher wurden, folgte die zweite Phase: Das Schreiben des Skripts. Da außer der Planung möglicher Workshops, rund um die im Folgejahr neu dargebotenen Ausstellungen, vor Ort auf Föhr im Museum wenig anderes zu tun war, stürzte ich mich in den Wintermonaten auf das Verfassen eines Handlungsstrangs. Es sollte sich jedoch schnell herausstellen, dass es schwerer als gedacht ist, die Ideen, die einem im Kopf herumschwirren, verständlich auf das Papier zu bringen. Dies war das erste Mal, dass mir bewusst wurde, dass dieses ganze Projekt wohl doch nicht so einfach und schnell über die Bühne gehen würde, wie ich es mir vorgestellt hatte. Diese Erkenntnis sollte noch einige Male kommen … Aber Übung macht den Meister, richtig?

 

Und ja, es ging voran. Meine Geschichte wurde konkreter, umfassender, die Figuren und Rollen schälten sich heraus, das Erdachte ließ sich langsam in Kapitel untergliedern. Immer wieder wanderte ich gedanklich durch das nun auch für mich fern liegende Museum Kunst der Westküste, denn ich war über den Winter eine Zeit lang in meine Heimat zurückgekehrt, um dem Insel-Lockdown zu entfliehen. Diese Idee kam dankenswerterweise seitens des Museumsteams. Ihr müsst wissen, die Winterzeit auf einer Insel verschärft sich für einen Menschen egal welchen Alters noch einmal drastisch, wenn auch noch ein Lockdown hinzukommt und dafür sorgt, dass das einzige „Live-Event“ der wöchentliche Einkauf in einem Supermarkt wird.

 

Zurück aber zu meiner gedanklichen Vorstellung des Museums. Ich bemerkte, wie gut es nun rückblickend war, dass ich im Herbst bereits die ein oder andere Stunde als Informationsmitarbeiterin in den Museumsräumen hatte verbringen können. So konnte ich von Zuhause aus das Gebäude, jede Treppe, jede Ecke, jedes Fenster, jede Tür, vor meinem inneren Auge sehen.

Aber wie wäre es wohl nachts alleine dort zu sein, dachte ich irgendwann, an einem der dunklen Winterabende? Wo würde noch ein Funken Laternenlicht hereinfallen? Welche Geräusche würden zu hören sein? Würde ich mich zurechtfinden? Würde ich Angst bekommen? All diese Fragen beschäftigten mich.

In meiner Geschichte wollte ich fortan zwei Kinder eine Nacht im Museum verbringen lassen: Enno und Nele wurden zu meinen Hauptfiguren. Zwei beste Freunde, die tagsüber mit ihrer Klasse zu Besuch im Museum Kunst der Westküste sind, werden nach dem Klassenausflug "vergessen" und aus Versehen eingeschlossen. Sie gehen im Dunkeln auf Entdeckungstour durch die drei aktuellen Ausstellungen, lernen auf sonderbare Weise Künstler*innen persönlich kennen und stoßen auf ein Geheimnis - das Geheimnis der leuchtenden Bilder.

 

Meine Geschichte nahm Form an und so konnte ich mich auf die Suche nach Menschen machen, die meinen Hörspielfiguren ihre Stimme leihen würden. Wegen der immer noch relevanten Gefahr durch die Pandemie, wollte und sollte ich zusätzliche Kontakte natürlich so gering wie möglich halten. Ich selbst übernahm also die Erzählstimme und plante meine Familie, enge Bekannte und Kollegen für alle weiteren Nebenrollen ein. Die stimmliche Besetzung meiner beiden Hauptfiguren jedoch fehlte. Schnell aber konnten wir, aufgrund der guten Kontakte des Museums, eine Kooperation mit der Grundschule in Süderende herstellen – und tatkräftig unterstützt durch eine der dort tätigen Lehrerinnen kam ich an „meine“ perfekte Besetzung für die Figuren Enno und Nele.

 

 

In den Hauptrollen: Ned Horster spricht Enno und Jaike Carstensen spricht Nele

 

Auch das Team des Föhrer Radiosenders FriiskFunk unterstützte mich in Form von technischen Tipps – und großzügig durch das Bereitstellen der Aufnahmemöglichkeit in ihrem Studio. So entstanden im kleinen Inseldorf Alkersum, an diesem Ort oberhalb der Ferring Bibliothek, über Wochen hinweg die Aufnahmen für meine Geschichte. Ich konnte jetzt in die endgültige Produktionsphase gehen: Das Schneiden! Nun kam abermals mein Gefühl “schwerer als gedacht” zu Tage. Doch mit Zeit und Geduld gelang es mir schlussendlich die Einzelstimmen zu Gesprächen zusammen zu puzzeln, und mit den richtigen Geräuschen und der passenden Musik unterlegt, entstanden nach und nach Klangbilder, die alle Hörer*innen mit hinein in die Geschichte nehmen würden.

 

Während nun ein Großteil der Aufnahmen noch im Rohzustand auf meinem Computer auf die Weiterverarbeitung wartete, wurde bereits Teil 1 des Hörspiels einem ersten Publikumskreis vorgeführt: In Kombination mit einem Workshop bekam die Schulklasse meiner beiden Hauptsprechenden die exklusive Möglichkeit, den Anfang des Abenteuers schon vor der Veröffentlichung zu hören. Die Begeisterung der Kinder war groß! So konnte die Veröffentlichung des ersten Teils, über die Museumswebsite, schon kurze Zeit später voller Vorfreude stattfinden.

 

Workshop in der Grundschule Süderende

 

Inzwischen ist das Projekt abgeschlossen – alle vier Teile sind online zu hören. Das positive Feedback, welches ich immer wieder bekomme, zeigt mir, dass sich die ganze Arbeit gelohnt hat, und dass ein Vorhaben, das einem zu Beginn immer wieder Grenzen aufzeigt, am Ende noch viel besser werden kann, als man es zu Beginn im besten Fall erwartet hätte.

In meinem Jahr hier im Museum Kunst der Westküste habe ich viel gelernt und damit meine ich nicht nur Autorin, Regisseurin, Produzentin, Hörbuchsprecherin und „Insulanerin“ zu sein und als FSJlerin in einer internationalen, gemeinnützigen kulturellen Organisation mitzuwirken. Sondern ich meine auch all das, was ich für mein Leben gelernt habe: Wie man Denkblockaden und Probleme löst, wie man seine Zeit nutzt, wie man Menschen von seinen Ideen überzeugt, wie man alleine wohnt und sich in einer völlig neuen Umgebung zurechtfindet, wie man geschäftliche Mails schreibt, wie man mit Kindern und Jugendlichen umgeht und wie es ist, in einem so großen, tollen Team zu arbeiten!

 

Über Rückmeldungen zu meinem Hörspiel-Projekt freue ich mich immer, also schreibt/schreiben Sie mir gerne! Bis zum 30. August kommt die Post unter fkj@mkdw.de direkt bei mir an. Dann endet mein Jahr hier auf der Insel und ich bekomme die Post, die ihr/Sie an die Adresse sh@mkdw.de sendet/senden, von Sylvia Haumersen, der Leiterin der Kunstvermittlung, mit der ich das ganze Jahr über eng zusammengearbeitet habe, weitergeleitet.  

 

Das Hörspiel findet/finden ihr/Sie hier: MKdW-Hörspiel Das Geheimnis der leuchtenden Bilder | www.mkdw.de

 

 

Noch mehr Infos zu meinem Projekt und der Arbeit der Kunstvermittlung im vergangenen Jahr finden/findet Sie/ihr hier: Mediathek | Offener Kanal Schleswig-Holstein (oksh.de)

 

So, und jetzt ab nach Süddeutschland zum Studium! Das Jahr im Museum Kunst der Westküste hat mir nämlich auch gezeigt, was ich beruflich machen möchte: Kunstgeschichte studieren!

 

Birte Rörig

FSJ Kultur, Museum Kunst der Westküste,
vom 1. September 2020 bis 30. August 2021