Ich bin Jule Bauder. Es ist nun schon über ein halbes Jahr her, dass ich mich aus meiner Heimat verabschiedet habe und hier nach Föhr gekommen bin, um mein Freiwilliges Soziales Jahr KULTUR im Museum Kunst der Westküste zu machen. Ursprünglich komme ich aus der Nähe von Stuttgart und vielen, denen ich davon erzählte, wussten gar nicht, wo Föhr liegt. So ging es mir vor meiner Bewerbung übrigens auch. Und wenn ich die Lage der Insel genauer erklärte, so hieß es: „Ah, also quasi am Nordpol. Vergiss deine Fellmütze nicht!“. Dabei hat man auf Föhr bekanntlich so ziemlich die mildesten Winter in Deutschland.
Generell sind die Vorstellungen von der Insel Föhr da unten ziemlich weit entfernt von der Wirklichkeit. So wird sich die Insel wie ein kleiner Hügel im Meer vorgestellt, auf den gerade so das Museum und ein paar Häuschen passen. Ein Freund der Familie hat auch sorgenvoll nachgerechnet, wie viele junge Leute es denn auf Föhr gibt und hat mich dann ganz verständnislos gefragt, wieso ich denn hierher möchte. Hier gäbe es ja kaum Leute in meinem Alter. Aber für mich ist es genau das Richtige und ich bereue es garantiert nicht, hier gelandet zu sein. Klar ist hier im Winter tote Hose, aber wenn man gut mit sich alleine klarkommt, gerne liest, Filme schaut und malt, ist der Winter schneller rum als man schauen kann.
Und mal ehrlich, wann hat man schon die Möglichkeit ein ganzes Jahr dort zu leben, wo andere Urlaub machen? Die Erfahrung auf einer Insel zu leben, das Meer direkt vor der Tür, ist für mich vollkommen neu. Und so ist es für mich fast so, als würde ich mein Jahr im Ausland verbringen (was ursprünglich mein Plan war), ohne die großen sprachlichen und kulturellen Barrieren. Wobei, sprachliche Barrieren gibt es schon. So war ich am Anfang ziemlich verwirrt, als mich ein Kind fragte, ob ich ihm Selters geben könne. Bitte was? Und das war noch nicht einmal Friesisch.
Auf der anderen Seite stehen hier die Leute mit großen Fragezeichen im Gesicht vor mir, wenn ich von meinem „Vesper“ erzähle oder sie darauf hinweise, dass die Kanne „trielt“. Mein am Satzende angefügtes, „gell?“ identifiziert mich letztendlich eindeutig als Süddeutsche.
Und dann die Arbeit im Museum. Zum einen muss mal gesagt sein, dass es mir allein schon große Freude bereitet, durch dieses wunderschöne Museum zu streifen und natürlich die tollen Kollegen zu erleben, die für gute Unterhaltung sorgen. Aber auch die Arbeit in der Kunstvermittlung, meine Haupttätigkeit, macht mir total Spaß. Immer neue Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die die Kunst für sich (neu) entdecken. Klar gibt es zwischendrin auch welche, die Museen und Malen und Basteln trotz allem öde finden, aber die breite Masse, die glücklich aus dem Workshop herausgeht, überlagert das Ganze bei weitem. Das Schönste ist, wenn jemand, der von sich aus am Anfang sagte, er könne nicht malen und wolle es deshalb gar nicht erst nicht tun, dann doch loslegt und anschließend freudestrahlend und zufrieden sein Werk präsentiert. Wir hatten auch schon Erwachsene, die erzählten, dass sie seit der Schule keinen Pinsel mehr in der Hand hatten, und die danach unsere Werkstatt mit den Worten verließen: „Also ich kaufe mir jetzt auch Farben und dann male ich zu Hause weiter!“.
Meine Arbeit besteht allerdings nicht nur aus den Workshops an sich. Ich helfe so zum Beispiel Sylvia Haumersen, Leiterin der Kunstvermittlung, die Workshops vorzubereiten und die Werkstatt immer wieder aufs Neue aufzuräumen. Seit März, in der noch etwas ruhigeren Zeit, hatte ich auch die Möglichkeit, in andere Bereiche reinzuschnuppern und die Mitarbeiter aus der Museumsverwaltung, aus dem Shop und der Aufsicht zu unterstützen. Da bekommt man dann einen ziemlich guten Rundumblick, was alles so im Museum passiert bzw. passieren muss, um den Besuchern eine tolle Ausstellung präsentieren zu können.
Immer wieder neue Aufgaben und auch das Abschlussprojekt, das man als FSJ-ler machen darf, sorgen dafür, dass man neue Herausforderungen annehmen muss und über sich hinauswächst. Man lernt neue Seiten an sich selber kennen, merkt aber auch, was einem nicht so viel Spaß macht bzw. was man nicht so gut kann. Damit kommt man hoffentlich dem näher, was man später mal machen will. Es läuft also auf eine Win-Win-Situation hinaus. Ich unterstütze die Museumsmitarbeiter, wodurch ich sehr viel Neues lerne. Im Umkehrschluss unterstützen sie mich in meiner „Selbstfindung“. Und wenn ich so darüber nachdenke, wie schnell dieses erste halbe Jahr vergangen ist, werde ich schon fast ein wenig traurig, weil das heißt, dass die letzten paar Monate noch viel schneller vergehen. Und eh ich mich versehe, muss ich mich wieder von hier verabschieden… Aber daran will ich jetzt noch gar nicht denken – jetzt bin ich hier und das Jetzt ist das, was zählt.
MKdW-Story: Jule Bauder, FSJ Kultur, Museum Kunst der Westküste