Der dänische Kunstkritiker Peter Michael Hornung sprach anlässlich der Ausstellungseröffnung von Per Bak Jensen – Humming Earth düber dessen Fotografien. Lesen Sie hier eine gekürzte Version der Rede:
Es gibt keine stillen Fotos. Sie erzählen immer etwas.
Was für den Maler Leinwand und Farbe ist, ist für Per Bak Jensen die Kamera und das Foto. Das Foto als eigenständiger Ausdruck kann wie ein Bild gestaltet und verändert werden.
Die Kamera ist ein vertrautes Werkzeug von Per Bak Jensen. Er hat früher Kunstwerke fotografiert, die andere Künstler geschaffen haben. Aber er schafft durch das Fotografieren auch selbst Kunstwerke. Man muss ihn eher als Künstler bezeichnen statt als Fotografen.
Per Bak Jensen behauptet, dass er mit Worten nicht so viel sagen kann, wie seine Bilder es ausdrücken – ohne ein einziges Wort. Das heißt jedoch nicht, dass die Fotos schweigen. Denn ein gutes Foto ist viel mehr als nur ein stiller Ersatz für eine verbale Beschreibung. Die Sprache braucht Zeit und Raum, um sinnvolle Aussagen zu formulieren. Ein Foto dagegen benötigt nur wenige Augenblicke, bevor wir es als Kunstwerk erkennen können.
Wenn Per Bak Jensen auf seinen Reisen nicht fotografieren würde, wäre er nicht in der Lage, anderen von seinen Besuchen in den USA, in Grönland, in botanischen Gärten, am Wasser, auf einem Feld oder zwischen präparierten Tieren zu erzählen. Er wäre wie ein Entdecker ohne glaubwürdige Zeugen und Aufzeichnungen. Und vor allem könnte er andere nicht von den Erfahrungen überzeugen, die ihm diese Reisen beschert haben. Dank seiner Kamera ist Per Bak Jensens Begegnung mit der Natur und mit der Welt im Allgemeinen glaubwürdig geworden. Ja, mehr als glaubwürdig.
Ein Sprichwort sagt: Ein Foto ist ein von der Sonne gemaltes Porträt. Das bedeutet mit Hilfe des Lichtes – der Sonne – erhält das Foto den Charakter eines Motivs, und kein Fotograf kann ohne Licht arbeiten. Doch die Sonne ist nicht in der Lage, sich das Motiv auszusuchen. Sie kann es nur beleuchten. Die Wahl liegt immer beim Fotografen.
Charakteristisch für die Motive von Per Bak Jensen ist vor allem das spärliche Licht, das er verwendet. In vielen seiner Fotografien geht Per Bak Jensen bewusst mit den Lichtverhältnissen um und setzt sie sparsam ein. Dadurch lässt er die Dunkelheit noch stärker erscheinen
Nur durch die Anwendung des Lichtes kann er auf die Dunkelheit hinweisen.
Ein Foto entsteht immer aus einer bestimmten Absicht. Vielleicht ist es die persönliche Rekonstruktion eines Naturerlebnisses. Vielleicht ist es ein Versuch, die Stimmung, die dieses Erlebnis hinterlassen hat, wieder zu erleben. Vielleicht ist es ein utopischer Versuch, Vision und Erfahrung zu vereinen.
Per Bak Jensen, Erindring, Memory 2018 © Galleri Bo Bjerggaard and the artist, VG Bild-Kunst, Bonn 2023
Nicht immer bestimmt der Fotograf das Motiv. Manchmal ist es das Motiv, das den Fotografen auswählt – indem es seine Aufmerksamkeit gegenüber allen anderen möglichen Motiven auf sich zieht.
Aber es ist der Fotograf, der das Format, den Ausschnitt oder die Farbgebung auswählt. Obwohl ein Foto einen Ausschnitt der Realität abbildet, ist es immer auch mehr als das. Es geht über die Realität, wie wir sie kennen hinaus.
Per Bak Jensen macht Fotos, die uns sowohl zum Anhalten als auch zum Zurückkehren ermutigen. Er hat offensichtlich keine Angst vor der Realität, sondern fürchtet nur, dass die Bilder, die er macht, nicht real genug wirken. Das bedingt das oft große Format der Bilder, weil er dann das Gefühl hat, dass sie mehr mit der Realität gemeinsam haben.
Per Bak Jensen, Vidne, Witness 2022 © Galleri Bo Bjerggaard and the artist, VG Bild-Kunst, Bonn 2023 in der Ausstellung Per Bak Jensen – Humming Earth, Foto: Lukas Spörl
Per Bak Jensen ist kein Fotograf, der einfach fotografiert, was ihm begegnet. Er macht keine Porträts. Ein Mensch ist auf seinen Bildern fast nie zu sehen. Der Mensch – und das ist der Künstler – ist verborgen und nur hinter der Kamera vorhanden.
Seine Fotografien haben eher den Charakter bewusster Serien über konkrete Orte. Wenn er fotografiert, tut er es, um hinter die banale Sichtbarkeit der Dinge vorzudringen und mit Hilfe des lichtempfindlichen Films ein Stück des Rätselhaften einzufangen, das kein Auge so wahrnehmen kann.
Jeder Ort besitzt eine Ausstrahlung, die ihn von allen anderen Orten unterscheidet. Daher stellt jeder Standort besondere Anforderungen an das Feingefühl des Fotografen. Denn die Schwierigkeit besteht darin, diese Ausstrahlung auf eine lichtempfindliche Membran zu übertragen und festzuhalten. Für einen Fotografen wie Per Bak Jensen ist ein Landschaftsmotiv beispielsweise immer mehr als nur Abbildung einer Landschaft. Es ist auch der Versuch, einen Bewusstseinszustand darzustellen.
Per Bak Jensen sagt darüber: „Ich habe mich schon immer für Orte interessiert. Ich glaube, dass jeder Ort ein Geheimnis, ein Rätsel birgt, und wenn man lange genug bleibt, kann man das Rätsel des Ortes spüren. In meinen Bildern versuche ich, diese Geheimnisse eines Ortes festzuhalten.“
Noch bis zum 14. Januar 2024 können Sie die Ausstellung Per Bak Jensen – Humming Earth im Museum Kunst der Westküste besuchen. Entdecken Sie einzelne Werke des Fotografen mitsamt weiterführenden Informationen auch in unserer App MKdW on tour.